15.8. - 9.9.2012
Ausstellung, Passagegalerie

In Passing 16

Andere Blicke, andere Räume

Andere Blicke, andere Räume
Third Space: Berührung und Entzündung


Von Interesse ist durch die spezielle urbane Situation der k/haus Passagegalerie das Weiterdenken des „Dritten Raumes“. Gegenüber der von Homi K. Bhabha in den 1990er-Jahren formulierten Analyse zum „Third Space“ als Interaktions- und Konfliktraum globaler Kulturbewegungen wandte sich der Urbanist Edward W. Soja den Erfahrungsdimensionen des Raumes zu. Diese politisch motivierte, andere Art des Denkens von Raum bildet einen Anknüpfungspunkt an Henri Lefebvres Kritik an der dichotomen Unterscheidung zwischen dem physisch wahrgenommenen und dem gedacht konstruierten Raum, die er um die Dimension eines tatsächlich gelebten Raumes erweiterte.

Ausgehend von der Argumentation Henri Lefebvres, definiert Soja den „Firstspace“ als unmittelbar wahrgenommenen, „objektiven“ Raum. Im empirisch mess- und kartografisch erfassbaren „Firstspace“ scheinen menschliche Aktivitäten als statistisch registrierbare Ereignisse auf. „Secondspace“ hingegen beschreibt oder – besser – erfasst den mentalen Raum, der sich auf Images und Repräsentationen konstruierte und symbolische Welten bezieht und gleichzeitig wissenschaftliche Diskurse umfasst, wie zu gewissen Zeiten Raum gedacht, konzipiert und ideologisch besetzt wird.

Unter „Thirdspace“ versteht Soja schließlich jenen Raum, der sowohl real als auch imaginiert einen Ausbruch aus der Fixierung auf „Firstspace“ oder „Secondspace“ ermöglicht und erweiterte Formen der konkreten Einflussnahme bietet. Gleichzeitig schwingt hier auch die Hinterfragung dessen mit, woraus sich ausschweifende Raumfantasien der Gegenwart nähren. Was macht ihren „Wirklichkeitsgehalt“ oder ihre Nähe zu durch Film, Architektur, Literatur oder Wissenschaft imaginierte Räume aus?

Gegenüber Klassikern der Raumtheorie wie Lefebvre, Augé, Foucault, De Certeau, O’Doherty, Heidiger, Merleau-Porty, Bachelard oder Borges findet durch den Begriff des „Dritten Raumes“ eine Erweiterung statt. Punkte der Begegnung zwischen Blick und Raum, die Thematisierung eines nicht vordefinierten und „differentiellen Raumes“ trifft in „Andere Blicke, andere Räume“ auf die Ästhetik eines Übergangsraumes, die ein Charakteristikum der k/haus Passagegalerie bildet. Mit im Spiel sind als zeitdiagnostische Pointe oder dialektischer Zauber Momente der Begegnung, welche die Intimität und gleichzeitige Offenheit des Raumes mitreflektieren.

Die in der k/haus Passagegalerie installierten Arbeiten von Agnes Fuchs untersuchen Formen der Übertragung und Übersetzung und beziehen sich in einem rekursiven Schluss auf Frequenz umwandelnde Technologien, z.B. der Funkübertragung und Nachrichtentechnik. „ECHELON LISTENING STATION/ Abhöranlage Teufelsberg“ (2009), eine Videorecherche, verhandelt Formen der Absenz und Sichtbarkeit, der De- und Rekonstruktion, als das Areal längst nicht mehr als Spionageanlage in Betrieb ist und die Funktionen der Anlage nur noch durch Rückschlüsse anhand leerstehender Betriebsräume zu erahnen sind.

In Magda Tothovas Videoarbeit "ELE" (2012) wird von der Begegnung zweier Figuren in einem undefinierten Raum erzählt. Zwei ineinander geflochtene Monologe untermalen die Gegenüberstellung von einem konkreten und einem abstrakten sozialen und architektonischen Raum. Dabei werden Vergleiche zwischen einem herrschenden, hierarchischen Gesellschaftssystem und einem post apokalyptischen Szenario gezogen.

In dem Video „Eleutheria in progress“ (2008) fängt Christine Gillinger die seltsame Stimmung der „Islands of dreams“ in Eretoria ein, auf der sich eine Appartmentanlage aus den 1960er Jahren befindet. Ein großer Teil der Insel dient als Müllablage. Verrostete Kinderspiele, verfallene Stiegen und ein morsches Boot zeugen von einer belebten Vergangenheit der „Island of dreams“. Eine Figur - Geist oder antike Tragödien-Figur? - erkundet die morbide Schönheit dieser Landschaft.

Die Arbeit „Working title (opening performance)“ (2012) von Suzie Lèger ist Teil einer Serie, die sich mit dem Verhältnis zwischen Kunstwerk und Kommentar, beschäftigt. Die Wahrnehmungsveränderung von skulpturalen und installativen Kunstwerken durch Text – immanent die Konstruktion von Bedeutung, Erinnerung und Geschichte – wurde in vorangegangenen Arbeiten durch sich anlagernde Texte wie Presse- und Ausstellungstexte, Essays und dem KünstlerInnenkommentar untersucht.

Die Klangsequenz, die an den Außenlautsprechern zu hören ist, ist ein analog mit Kassettenrecordern produziertes Stück. In der Installation “o.T. (AAAaaBBBBbCCCccAABcCCAbaBBBBAacC)” (2012) von Lona Gaikis wird der Ton mit mehreren Geräten gleichzeitig aufgenommen und parallel abgespielt, sodass die Komposition über eine zeitlich versetzte Wiederholung, der zufälligen Kombination unterschiedlicher Klänge und ihrer Schichtung entsteht. Inspiriert ist diese Arbeitsweise von Kompositionsansätzen des Minimal und der seriellen Versuche der 1960er Jahre, die wichtige Vorreiter zeitgenössischer Electronica und des Techno sind.

Text: Ursula Maria Probst

Anne Feldkamp: “Die Collage ‘Ohne Titel’ (2012) zeigt Versatzstücke der Skyline New York aus der Perspektive des Central Parks, davor ein Model aus einem Jil Sander-Advertorial einer Illustrierten. Das New Yorker Wolkenkratzer-Panorama, ein beliebtes touristisches Motiv, wurde teilweise neu zusammengefügt, zu sehen ist nunmehr eine quasi phantastische Hochhaus-Silhouette. Die Spanplatten sind wie die ausgerissenen Motive aus Kunst- und Modemagazinen ein völlig wertloses Material, das mir genau deshalb so reizvoll erscheint.”  

Markus Hiesleitner: “In vielen meiner Arbeiten beschäftige ich mich mit künstlichem Licht. Das künstliche Licht ist für den Menschen Orientierungshilfe, gibt Sicherheit und kultiviert den Tagesablauf. Eine ausgediente Parklampe aus dem Türkenschanzpark/Wien ist mit Spanngurten auf einer einfachen Transporthilfe befestigt. Ein Wurfkabel verbindet die Lampe mit dem Strom und erlaubt es, die Lampe mit sich zu führen.” Das Resultat ist die Installation: Ohne Titel

In “ohne Titel” (Pflanzen-Tageslichtlampen) (2012) befestigt Markus Hiesleitner Tageslichtlampen am Fassadegerüst des Wiener Künstlerhauses, das für Werbeeinnahmen zur längst fälligen Renovierung dient. Damit regt er punktuell das Wachstum jener Pflanzen an, die hier ihr Biotop gefunden haben und einen kleinen “Dschungel” mitten im urbanen Raum bilden.

Luiza Margan: “The video ‘Anatomy of the Bow: Speakers’ was created by sequencing materials from the photo-archives of the Korean Women Workers Organization (in the period from 1987 to 2010). The video, made of archive photographs, creates a moving picture of a fragile social body: we can see the women speak, but their voices remain silent. The assemblage of photos of women taking part in public speeches is combined with the voice-over reading of excerpts from “Dictee”, written in 1982 by a Korean-American writer Theresa Hak Kyung Cha, a text that almost “anatomically” describes the ability and struggles of speech from female perspective, thus enabling a closer view of the contemporary position of women in Korean society.”

Luiza Margan: “The series of photographs ‘Anatomy of the Bow’ displays a performative action in urban space of Seoul, for which I have approached passerby couples with an explanation and a proposal to engage in a short photography action where the woman should carry the man on her back. I explained to the couples that the action’s objective is to provoke the existing hierarchies and assess the traditional roles of women and men and show their interrelation. Women, despite their initial shyness and indecisiveness—but also often despite the protective and negative reactions of their partners—were happy to take part.”

Zur Außeninstallation “AA/2911_009”: Die “Datencollage” von Martina Nowak entstand aus der Beschäftigung mit der aktuellen Situation, in der mit der Umsetzung immer neuer Richtlinien und Gesetze wie z.B. zur Vorratsdatenspeicherung Persönlichkeitsrechte beschnitten werden. In diesem Kontext stellt sich die Frage: Warum lässt sich eine Gesellschaft mit Scheinargumenten von der Notwendigkeit zunehmender Überwachung überzeugen und nimmt dadurch in Kauf, dass Privatsphäre sukzessive verloren geht? Die Arbeit ist Teil der Installation ANGST VOR EURER APATHIE des Kollektivs minamonitormalus, Elektro Gönner, Wien, November 2010.

KünstlerInnentexte von den beteiligten KünstlerInnen

Kuratorin:
Ursula Maria Probst

Teilnehmende KünstlerInnen:
Anne Feldkamp, Agnes Fuchs, Lona Gaikis, Christina Gillinger, Markus Hiesleitner, Luiza Margan, Martina Nowak, Magda Tothova
 

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