13.10.2022 - 29.1.2023
Ausstellung, Obergeschoß

LOVING OTHERS

Modelle der Zusammenarbeit

Kuratiert von Christian Helbock und Dietmar Schwärzler
Kuratorische Assistenz: Rhea Tebbich
Ausstellungsarchitektur: studio-itzo
 

„Wenn wir Euch alles erzählen würden, existierten wir gar nicht.“
(Irwin im Gespräch mit WHW - What, How & For Whom)

„Masturbation is Counter Revolutionary“
(Bruce LaBruce)

Künstler*innen-Gruppen sind ein „modernes“ Phänomen, zumindest insoweit sie eine prominente Bedeutung im künstlerischen und kulturellen Ereignisfeld erlangen. Kollektive Produktion in der Kunst war und ist dabei auch nicht von dem Versuch zu trennen, alternative, teils von Utopie getragene Arbeits- und Lebensformen zu entwickeln, die abseits von Konkurrenz und Gewinnmaximierung stehen. Oft werden Kollektive nach dem Abschluss der Ausbildung, also zwischen 25 Jahren und 30 Jahren, gegründet, viele Gruppen bzw. Kollektive lösen sich aber relativ bald wieder auf. Die Formen der Zusammenarbeit sind dabei so vielfältig, wie die künstlerischen Strategien und gegenwärtigen Tendenzen, die sich in den jeweiligen Arbeiten hier in Form von unterschiedlichen politischen Artikulationen abbilden.

Soziale Interaktionen und Kommunikation, die einen produktiven Gedankenaustausch forcieren, sind elementare Charakteristika jeder Art von Zusammenarbeit, die aber ganz wesentlich auch von emotionalen Bindungen geprägt ist. Zusammenarbeit stellt in diesem Sinne immer eine Beziehungsform dar, wobei der Begriff „Beziehung“ ganz vielfältig und abseits vom klassischen Paar gedacht ist. Die latenten sozialen Dynamiken und verdeckt mentalen Erwartungshaltungen einzelner Akteur*innen manifestieren sich in kollektiven Arbeits- und Lebenszusammenhängen. Dies zeigt sich in Konstellationen, die sich durch verändernde Rollenzuschreibungen und Wechsel in der Gruppenhierarchie auszeichnen (Ruangrupa), ebenso in radikalen Verschränkungen von sexuellem und intellektuellem Zusammenleben eines „erweiterten Körpers“ (AA Bronson), über virtuell konstruierte Communities und Netzwerke, bis hin zu temporären Zweckgemeinschaften.

LOVING OTHERS will Künstler*innen-Gruppen und deren unterschiedliche Modelle von Zusammenarbeit in Form ihrer sozialen Bindungen und Solidaritäten produktiv machen und Geschichten des konstruktiven Scheiterns miterzählen. Im Fokus der Ausstellung stehen vorwiegend jüngere Werke, die auf unterschiedlichen Ansätzen von künstlerischer Zusammenarbeit basieren und deren inhärente, spezifische Arbeits- und Beziehungsformen Teil der Präsentation sein werden. Die Auswahl kann als exemplarisch, gleichzeitig aber auch willkürlich bezeichnet werden, da es unzählige Kollektive gibt. Zwei Beiträge sind als in situ Arbeiten konzipiert, die von Bar du Bois und dem Kollektiv ZIP Group realisiert werden. Als Interpunktionen oder Verbindungslinien zwischen den präsentierten Werken der Kollektive und Künstler*innengruppen sind aktuelle, aber auch wenige historische Arbeiten gesetzt, die Fragen zu unterschiedlichen Modellen der Zusammenarbeit wachrufen und auch werkbezogene, zeitlich limitierte Kollaborationen zeigen. Als Beispiel sei an dieser Stelle eine besonders spitzfindige Art der Gemeinschaftsarbeit erwähnt, nämlich Karpo Godinas äußerst amüsanter Kurzfilm „On the Art of Loving or a Film with 14441 Frames“ (1972). Für diese Auftragsarbeit, von der jugoslawischen Armee produziert, standen dem Filmemacher während seiner eigenen Militärzeit als einfacher Soldat 20.000 Mann zur Verfügung, die er zu einer atemberaubenden Performance in den Bergen Mazedoniens (heute: Nordmazedonien) orchestrierte. Der Film, der quasi die hierarchisierteste und von Gemeinschaft geprägte Arbeitsstruktur schlechthin subvertiert, brachte Godina beinahe ins Gefängnis, seinen Film konnte er von der Zerstörung bewahren.

Weitere Verbindungslinien zwischen den Werken werden aber auch durch die Arbeit geschaffenen Vereinigungen, Freundschaften und Gemeinschaften produziert. Die Grundidee eines Kollektivs ist, dass sich eine Gruppe von Personen zusammenfindet, um ein gemeinsames Interesse zu verfolgen, das sich alleine nicht bewerkstelligen lässt bzw. durch den Zusammenschluss das Potential seiner Wirkungskraft verstärkt. LOVING OTHERS versteht sich insofern als Versuchsfeld, das Kollektiv, die Künstler*innen-Gruppe oder auch temporäre Kooperationen differenziert und als gesellschaftspolitische Entscheidung zu betrachten.

Künstler*innen:
Bar du Bois, ____fabrics interseason & friends, Femplak, Forensic Architecture, Group Material, House of Ladosha, INVASORIX, Karpo Godina, Suzanne Lacy, The Nest Collective, ruangrupa - lumbung, Total Refusal, Anna Spanlang & Klitclique, ZIP group 


Begleitend zur Ausstellung entsteht eine Publikation, die sich nicht als Ausstellungskatalog begreift. Darin sollen diskursive Texte zum Thema, zusätzliches Material, weitere Beiträge von Kunstschaffenden bzw. begleitende Interviews versammelt und präsentiert werden. Die Publikation versteht sich als durchaus eigenständige, diskursive Materialsammlung, um einem interessierten Publikum vertiefende Informationen zu unterschiedlichen Formen der Zusammenarbeit, einzelner Gruppen oder künstlerischen Praktiken zur Verfügung zu stellen, auch solchen, die nicht in der Ausstellung präsentiert werden.

Mit Beiträgen von: Madeleine Bernstorff, Fehras, Femplak, Christian Helbock & Dietmar Schwärzler & Rhea Tebbich, Christian Höller, INVASORIX, Massa Lemu, Athambile Masola & Patrick  Mudekereza, Simon Mraz, Pay the Artist Now!, Agnieszka Pindera, Total Refusal, Hedwig Saxenhuber, Anna Spanlang & Mirjam Schweiger & Judith Rohrmoser & Jonida Laçi, Barbara Steiner, studio-itzo, Gerald Weber, WHW, u.a.
Verlag: VFMK

 

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