16.11.2022, 20:00
Veranstaltung, Stadtkino im Künstlerhaus

FREIES KINO - EINTRITT FREI

Annja Krautgasser: Kulissen - 8 Annäherungen zwischen Kunst und Film

Die Künstlerin und Filmemacherin Annja Krautgasser zeigt eine Auswahl filmischer Erzählungen. Diese spannen sich von abstrakten Musikclips über experimentelle Raum-Zeit-Erkundungen bis hin zu dokumentarischen Momentaufnahmen sozialkritischer Beobachtung von Jugend- und Freizeit-Vereinskultur. Der Fokus dieses Programms liegt auf dem Begriff der „Kulisse“, der hier im "Medium Film" sowohl inhaltlich als auch installativ verstanden werden kann. 

„Krautgassers filmisch-performative Arbeiten sind fest im Kontext der zeitgenössischen Kunst verankert und auch dementsprechend räumlich verortet. In diesem Sinne sind die Arbeiten immer auch Teil eines bestimmten Diskurses, eines Rezeptionsverhaltens, eines Produktionsvorgangs. Es sind Systeme, die Krautgassers Werke in Retrospektive kohärent und nachvollziehbar machen und eine kritische Reflexion außerhalb ihrer Referenzen ermöglichen.“ (Gerald Straub)

 

Annja Krautgasser
Krautgasser stammt aus Hall in Tirol, lebt und arbeitet in Wien. Sie schloss das Studium der Architektur und der Visuellen Mediengestaltung/Neue Medien ab und war Artist-in-Residencies in London, Los Angeles (MAK Schindler), Paliano (I) und Amsterdam (NL). Annja Krautgasser bekam das  BMUKK Atelierstipendium Krumau, Staatsstipendium für bildende Kunst 2009, den RLB Kunstpreis 2010, Würlingerpreis 2010, Hildegard Goldschmidt Preis 2011, Preis der Stadt Innsbruck für künstlerisches Schaffen 2012, Paul Flora Preis 2017, 36. Österreichischer Grafikwettbewerb | Preis der Bundeshauptstadt Wien 2019 und den Hilde-Zach-Preis 2019

 

PROGRAMM

Around and Around, 1:40 min (2007)
„Da ist zum einen der Horizont, zugleich Ende und unbekannter Anfang, die Teilung der Welt, die Grenzziehung des Blickfeldes; da ist aber auch der Rundblick, das Panorama, die Allsichtigkeit, das „skopische Regime der Moderne“, die Überschreitung jeder Eingrenzung des Blicks, seine Entgrenzung; und da ist noch die Geschwindigkeit, die Beschleunigung, die Krise des Blicks, wenn nicht gar sein katastrophales Scheitern. Und selbstverständlich ist da das Medium des Filmischen (nicht Video oder Film), das Annja Krautgasser in den Montagen vorbeihetzender Horizonte (markante Gebirge und geradezu abstrakte „Wüsten“) nicht thematisiert, auch nicht zeigt, aber vorführt, wie man sagen könnte. Gehört es zum Ereignis des Mediums, im Erscheinen sogleich wieder zu verlöschen, wie Jacques Derrida schreibt?“
(Reinhard Braun, gekürzt)


Prelude, 3:30 min (2008)
„Menschen, aus der Ferne beobachtet. Sie schlendern, spazieren ohne erkennbares Ziel oder joggen. Sie wirken unbeschwert, wie Touristen oder Familien beim Sonntagsspaziergang im Park. Der Ort, den sie durchqueren, ist jedoch eine leere, helle Fläche, lediglich die Wege sind skizzenhaft angedeutet, ein streng geometrischer Plan. Ebenso ausradiert sind alle Geräusche und somit mögliche Hinweise auf die Verortung. Prelude ist ein verspieltes und zugleich konzentriertes Suchbild, das zahlreiche Bezüge zu anderen Medien wie Fotografie und Architektur, zu anderen Epochen des bewegten Bildes oder zu neuen Technologien anbietet. Prelude ist der Name eines selbstlernenden Konversationsprogrammes, das mit Mustererkennung oder Zufallsgeneratoren arbeitet. Vielleicht ist der Titel des Videos nicht nur ein Hinweis auf die Entstehung der Dialoge, sondern steht auch für den Entwurf eines interaktiven Systems, hier von Räumen, Bewegungs-Mustern und Kommunikation, als Illustration für die Vermischung von realen und virtuellen Komponenten an einem der vielen Nichtorte unserer Zeit.“
(Andrea Pollach, gekürzt)


What is my position, 5:00 min (2004/2022)
Entstanden in Zusammenarbeit mit Dariusz Kowalski)
„Eine Soundinstallation transferiert drei „akustische Signalampeln“ in den Flakturm im Arenbergpark in Wien Landstraße. Der Bau ist ein bedrohlicher, im buchstäblichen Sinn unheimlicher Ort; man kann sich gut vorstellen, wie man zwischen den grauen Betonwänden die Orientierung verlieren und sich verlaufen könnte. Die Arbeit definiert den Raum neu – zur räumlichen Orientierung kommt eine akustische. Umgekehrt definiert der Raum auch den Sound neu: Ist das Klopfen im Lärm des Verkehrs üblicherweise nur aus der Nähe wahrnehmbar, so schallt es im Flakturm laut durch den ansonsten geräuschlosen Ort.“ 
(Text gekürzt nach Nina Schedlmayer)


void.seqz3, 4:30 min (2005)
Entstanden in Zusammenarbeit mit Dariusz Kowalski, Sounddesign von Martin Siewert
„"Ein Bildelement bedeutet nichts anderes als sich selbst...," legt Theo van Doesburg 1930 in seinen Forderungen für eine Form abstrakter Kunst fest. Auf der Bildebene scheint void.seqz 3 dieser Forderung Rechnung zu tragen: der Entstehungsprozess bedient sich eines computergenerierten, automatisierten also rationalen und objektiven Verfahrens. Die Tonebene hingegen vereitelt dieses Bestreben: anfangs noch sehr reduziert, verdichtet sie sich zu Soundscapes, die aus der Anlehnung an Struktur und Rhythmus des Bildes ausbrechen.“
(Claudia Slanar, gekürzt)


Zandvoort, 13:00 min (2009)
„Entstanden an der Atlantikküste in den Niederlanden. Hier ist die Kamera statisch auf eine Strand-Landschaft gerichtet, wo sich kleine "Geschichten" ereignen. Stecknadelgroße, schattenhafte Protagonisten bewegen sich in unterschiedlichen Rhythmen über den Strand, erscheinen und verschwinden wieder; es bleibt unsicher, was real, was fiktiv ist. Das 13-minütige Video zeigt einen Tagesablauf im Zeitraffer und wirkt trotzdem ruhig und beinahe meditativ. Der aus Naturgeräuschen bestehende Sound ist dagegen nicht bearbeitet.“
(Petra Noll, gekürzt)


Romanes, 16:00 min (2010)
„Eine Verhörsituation. Junge Leute blicken in die Kamera. Etwas befangen. Teilweise amüsiert. Sie geben Auskunft: ihr Alltag, ihre Freunde, ihre Arbeit. Oftmals keine Arbeit. Der Wunsch nach Arbeit, "irgendeiner" Arbeit, einer eigenen Wohnung, einer Familie. Ernste Momente, getragen von einer gewissen Scheu vor der Kamera - und gebrochen durch das spielerische Vergnügen an der Gesprächssituation. Die Grenze zum Bildraum ist undicht. Irgendwo im Off gibt es offenbar Mitspieler*innen, bei denen die Interviewten durch gelegentliche Seitenblicke Vertrauen tanken. Als Mitspieler*innen outen sich sehr bald auch die Interviewer in diesem Frage-Antwort-Spiel, das zwischen freundschaftlicher Provokation und wissendem Einverständnis pendelt. Das Lager, ein Roma-Camp im römischen Stadtteil Centocello, ist die Normalität. Das Außerhalb ist ein "Hobby", von dem man nicht so genau weiß, was es ist. Oder ein Traum, der die Realität erfüllt. Die Realität ist eine triste Wohn- und eine desolate Arbeitssituation. Daher zeigen sich die Jugendlichen, die in diesem Videoprojekt selbst die Kamera in die Hand nehmen und die Fragen stellen, auch eher beim Träumen. Oder als aktive Gestalter*innen einer sozialen Rolle, aus der sie im Spiel mit und vor der Kamera eher herauswachsen als sie wie ein Schicksal zu (re-)präsentieren.“
(Robert Buchschwenter, gekürzt)


Krochen, 6:50 min (2011)
Zur Musik "Put Your Hands Up 4 Detroit" von DJ Fedde le Grand.
Als Krocha (hochdeutsch: Kracher) bezeichnet man Mitglieder einer kurzlebigen, vor allem im Jahre 2008 wahrgenommenen jugendkulturellen Szene in Österreich. Bei der Wahl zum Wort des Jahres 2008 in Österreich belegte Krocha den zweiten Platz hinter Lebensmensch. Jugendliche, die sich selbst als Krocha bezeichnen, gab es etwa von 2007 bis 2009 in Wien und später vereinzelt auch in ganz Österreich. Der Kleidungsstil hat sich jedoch bereits weit darüber hinaus ausgebreitet. Durch Medien wie Youtube, Netlog oder MyVideo wurden die Art des Tanzens und der Kleidungsstil sehr schnell verbreitet, wobei die meisten Aufnahmen mit Handykameras gedreht wurden. Ende 2008 begann die Krocha-Szene zu verschwinden. 
(Wikipedia, gekürzt)


Kriegsszenen, 23:00 min (2020)
„Zu Beginn wird ein Spiel aus Feldern & Markierungen, Gegenwart & Vergangenheit, Sichtbarkeit & Unsichtbarkeit in Gang gesetzt: Absperrgitter – und Bänder, eine Tribüne, ein Stück Wald, bereits eingeteilt in Territorien, verweisen auf das Innen & Außen des Feldes wie auch jedes Bildes. Wenn Mitglieder militärhistorischer Clubs auftauchen, um eine Schlacht der Roten Armee gegen die Wehmacht zu re-inszenieren, fallen der Gegenstand im Bild und die Verwendung der Bilder erneut ineinander: Das jährliche Herstellen dieses Kriegsschauplatzes ist der Versuch, mit maximalem Aufwand eine real anmutende Kriegsszenerie auf das leere Feld zu zaubern. Annja Krautgassers Film dokumentiert dieses Event und inszeniert es seinerseits - (...) Wenn die Filmemacherin am Ende auf der Tribüne sitzen bleibt, während alle anderen Zuschauer*innen das nun wieder leere Feld betreten, um die Patronenhülsen einzusammeln, steckt darin das grundlegende Paradox des Films, der Grund für das unheimliche Gefühl, das er hinterlässt: Das Erzeugen von Bildern des Krieges, um sich zu erinnern, ist auch das Herstellen des Krieges, der physische Spuren in der Landschaft hinterlässt, bis das Feld erneut bestellt werden kann, weil das Bild wieder leer ist.“ 
(Alejandro Bachmann, gekürzt)

 

 

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