Das Künstlerhaus, SEIT 1868
 

Eine autonome, gemeinnützige Künstler*innenvereinigung, die seit ihrer Gründung im Jahr 1861 das Kulturleben des Landes wesentlich mitgestaltet und bereichert, ist in schnelllebigen Zeiten etwas Besonderes. Von seiner Eröffnung im Jahr 1868 bis heute animiert ein offenes, diskursives und interdisziplinäres Programm zum Besuch des Künstlerhauses.

Dieses Künstlerhaus am heutigen Wiener Karlsplatz ist vielleicht das merkwürdigste aller Ringstraßengebäude. 1865 bis 1868 mit privaten Mitteln am steilen Wiesenufer des noch nicht regulierten  Wienflusses auf einer geschenkweise überlassenen Liegenschaft erbaut, wurde es schon wenig später umgebaut, erweitert, teilweise zerstört und wieder renoviert, und dieser Prozess hat ohne Unterbrechung bis heute angehalten.

Das war nur möglich und finanzierbar, weil die Liegenschaft und das Gebäude von 1865 bis 2015 im Alleineigentum einer Künstler*innenvereinigung stand, die sich so nennt wie das Gebäude heißt, und die in ihren Reihen viele tatkräftige Architekten hatte, und weil es von 1868 bis 1998 nicht nur die Interessen der Künstler*innen zu erfüllen hatte, sondern auch jene des Staates; war es doch mangels musealer Ausstellungsflächen das einzige Ausstellungshaus Wiens, das dem Staat und der Stadt für große und spektakuläre Ausstellungen zur Verfügung stand - und zwar, im Gegensatz zu den Museen, auf dem jeweiligen technischen Stand der Zeit.

An keinem anderen Ort der Stadt wäre es dem damaligen Historischen Museum der Stadt Wien möglich gewesen, 1985 eine Ausstellung durchzuführen, die täglich von durchschnittlich 3238 Personen besucht wurde ("Traum und Wirklichkeit"); hier haben die ersten Blockbuster-Ausstellungen des Kunsthistorischen Museums stattgefunden, als dieses selbst noch nicht einmal zur Gänze elektrifiziert war.

Das alles hat dem Kulturleben und dem Tourismus genutzt, aber nicht dem Gebäude. Keine öffentliche Hand wollte aber jemals für eine Sanierung in die Tasche greifen – warum auch? Die Künstlerinnen und Künstler wiederum waren an der steten Änderung und Neuerung, an der Vorwärtsbewegung und dem Experiment interessiert, nicht aber an der Konservierung oder Erneuerung. Immer wieder dachte man sogar über Abriss und Neubau nach und die bedeutendsten Architekten des Landes entwarfen ihre Utopien zur niemals bewältigten städtebaulichen Herausforderung des Karlsplatzes, allen voran Hans Hollein.

2015 hat die Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Seitdem hält sie als Miteigentümerin die Sperrminorität in der Künstlerhaus Besitz- und Betriebs GmbH. Der Mehrheitseigentümer, die Haselsteiner Familienprivatstiftung, hat die seit Jahrzehnten fällig gewesene Sanierung des Gebäudes finanziert und sorgt zukünftig für den technischen Betrieb und die Instandhaltung. Damit wurde der wachsenden Unsicherheit über die Zukunft des Gebäudes ein Ende bereitet.

Die Vereinigung hat in den mehr als drei Jahren der Generalsanierung ihre Tätigkeit nicht unterbrochen, sondern in der ehemaligen Altmann’schen Textilfabrik im Wiener Bezirk Margareten fortgeführt, und zwar intensiver denn je. Diese erfolgreiche Zwischennutzung war dank des Entgegenkommens der S IMMO AG als Eigentümerin und von IMMOVATE als Entwicklerin der Immobilie und mit Unterstützung durch den Bezirk und seine engagierte Bezirksvorsteherin Mag.a Susanne Schaefer-Wiery möglich gewesen.

Weitere zukunftsweisende Impulse wurden dem Künstlerhaus im Herbst 2017 mit der erstmaligen Bestellung einer künstlerischen Leitung in Person des international erfahrenen Ausstellungsmachers Tim Voss und im Juni 2019 mit der Wahl Tanja Prušniks zur ersten Präsidentin in der Geschichte der Vereinigung gegeben.

2021 hat das Künstlerhaus rund 470 Mitglieder aus allen Bereichen des künstlerischen Schaffens. Es versteht sich mehr denn je als deren Plattform für die Begegnung mit allen Kunstinteressierten und als Sprachrohr seiner Mitglieder in kulturpolitischen Anliegen.

Nach der Generalsanierung, Erweiterung und Restaurierung ist das, was die einen "Patina" und die anderen "skandalös" nannten, Vergangenheit und das Gebäude erstrahlt seit dem "ReOpening" am 6. März 2020 so glänzend wie nicht einmal 1868, als man die Ausstellungsräume bei Einbruch der Dämmerung noch schließen musste.

Gleichzeitig haftet auch dieser Situation etwas Experimentelles an. Denn die Wohngemeinschaft mit der Albertina modern, die sich im Erdgeschoß des Gebäudes und in den neuen Galleries im Souterrain der österreichischen Kunst seit 1945 im internationalen Kontext widmet, mit einer Künstler*innenvereinigung, die im Obergeschoß mögliche Entwicklungen zur Diskussion stellt und sich in der neuen FACTORY dem multimedialen Experiment und dem postakademischen Diskurs widmet, birgt so viele Chancen wie Risken. Die Nutzniesser*innen dieser einmaligen Situation sind in jedem Fall die Besucher*innen des Künstlerhauses.

Aber das, was man heute einen "Hub" nennt, war das Künstlerhaus schon immer: Bereits kurz nach der Gründung wurden in einer Denkschrift Vorschläge an die Regierung herangetragen, die "zur Hebung der Kunstverhältnisse in Österreich" auf staatlicher Ebene führen sollten und die in Folge zur Bildung einer eigenen Kunst-Sektion im Staatsministerium geführt haben.

Auf der "1. Internationalen Kunstausstellung" 1882 gab Hans Makart den Impuls zur Gründung einer "Modernen Galerie" (heute Österreichische Galerie Belvedere). 1883 gestaltete das Künstlerhaus die erste, dem Medium Druckgrafik als unabhängige Kunstrichtung gewidmete Ausstellung. Nach intensiven Diskussionen um den Stand der zeitgenössischen Kunst trat schließlich 1897 die Künstlergruppe um Gustav Klimt aus, um mit der Secession einen anderen Weg zu beschreiten.

Im 20. Jahrhundert lieferte die Ausstellung "Kunst um 1970", die der damalige Präsident Hans Mayr mit dem Sammlerehepaar Peter und Irene Ludwig aus Aachen organisierte, die Initialzündung zur Gründung des heutigen Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig (MUMOK). Für viele freie Kurator*innen war das Künstlerhaus seit den 1980er Jahren der Ort ihrer ersten Erfolge.  

Das Künstlerhauskino – von 1949 bis 1974 das führende Programmkino Wiens – war 1962 der Geburtsort der VIENNALE. Seit 2013 ist das Stadtkino im Künstlerhaus wiederum ein Impulsgeber in der Wiener Kinolandschaft, so wie Ludwig & Adele für die Gastro-Szene.   Und wo Conny Hannes Meyer 1973 für seine "Komödianten im Künstlerhaus" einen Ausstellungssaal zu einem experimentellen Theatersaal umbaute, der weltweit Aufsehen erregte, wird in den nächsten Jahren mit Sicherheit wiederum etwas Neues, Richtungsweisendes entstehen. 

Peter Zawrel

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